Unser Kungfu Cooldown

Basics, Tipps & Tricks
Pascal Wu beim Cooldown
Von
Christina Wu
Datum
15.09.2019
Lesezeit
10 minutes
Sobald es um das Cooldown geht, steht vor allem das wie und wieso im Vordergrund. Die Vorteile des Cooldown sind den meisten nicht bekannt und werden daher oft unterschätzt. Erfahre jetzt, wie du das Cooldown für Dich und Deinen Trainingsfortschritt nutzen kannst!

Was ist ein Cooldown?

Cooldown, englisch für „Abkühlen“, kennen die meisten bei uns im deutschsprachigen Bereich unter Nachdehnen, oder Abwärmen. Viele verstehen unter einem Cooldown eine Bewegungsabfolge von bestimmten Dehnübungen, um den angespannten Muskel nochmal schön in die Länge zu ziehen und um dem gefürchteten Muskelkater vorzubeugen. Dass diese Aussagen falsch sind, wurde über die letzten Jahre mehrfach in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Sie stecken aber bis heute noch immer fest in den Köpfen. 

In unserer Schule benutzen wir das Cooldown am Ende unserer Trainingseinheit zum Abschluss des Trainings. Ein Anfänger ist meist verwundert, sobald wir in die Cooldown-Phase übergehen und fragt häufig, ob es notwendig ist. Genauso wie das Aufwärmtraining wird das Cooldown von Anfängern meist eher als Plage angesehen und bittere Notwendigkeit. Sie kamen bisher noch nicht in den Genuss eines guten Programms um die Vorteile für sich zu entdecken.

Aus langjähriger Erfahrung heraus können wir behaupten, dass die heutigen Studien ihre Berechtigung haben, wenn sie belegen, dass ein Cooldown den gefürchteten Muskelkater nicht verhindern kann. So sehen auch wir es. Spätestens hier fragen sich dann einige, warum sie es überhaupt in Ihr Training einbauen sollten, wenn es nicht einmal beim Muskelkater hilft.

Für uns ist es vielmehr eine Abfolge bestimmter Bewegungen für den Geist und Körper. Es dient zunächst dazu, wie der Name schon sagt, den Körper und den Geist wieder abzukühlen oder herunterkommen zu lassen. Voraussetzung dafür ist natürlich das richtige Aufwärm– und Trainingsprogramm davor. 

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wieso Du Dich aufwärmen solltest und wie das geht, empfehlen wir Dir unseren Artikel „Unser Wushu Kungfu Aufwärmprogramm“. Im Anschluss kannst Du grad bei unserem Programm mitmachen.

Vorteile eines Cooldowns

Ausgleichen von Dysbalancen

Beanspruchst Du in Deinem Training verschiedene Muskelbereiche unterschiedlich stark, entstehen auf Dauer sogenannte Dysbalancen zwischen den Beuger- und Strecker-Muskeln. Hier hat dann ein Muskel eine höhere Muskelspannung, als sein Gegenspieler und das führt auf Dauer zu Fehlhaltungen und später dann zu Schmerzen im Gelenk. Deshalb ist es wichtig diese wieder auszugleichen, damit Schäden im Gelenk durch Fehlhaltungen gar nicht erst entstehen können. Dafür ist das Cooldown bestens geeignet.

Dysbalance 1

Im Bild oben ist ein Beispiel, wie sich die Haltung des Körpers verändern kann, sobald die Spannkraft eines Muskels stärker ist, als sein Gegenspieler (B+C). Position A zeigt ein Gelenk mit einer ausgeglichenen Spannkraft der Muskulatur.

Mentaler Abschluss des Trainings

„Kühlt der Körper nicht auch so von alleine ab, wenn ich einfach aufhöre zu trainieren?“. Ja, das tut er. Allerdings passiert es sehr abrupt und ohne Führung. Des Weiteren verstehen wir unter Abkühlen nicht nur die Temperatur des Körpers, sondern auch das mentale Abkühlen oder runterfahren und abschalten, um mit dem Training abzuschließen. Es ist eine sehr gute Möglichkeit, um aus der Leistungsbereitschaft des sympathischen Nervensystems in die Entspannung, also das parasympathische Nervensystem, zu wechseln. So nutzt Du Dein Cooldown als doppelt sinnvolles Ritual. Sowohl für den Körper, als auch für den mentalen Bereich zur vegetativen Regeneration, um mit dem Training richtig abzuschließen.

Vor allem das wiederholte Üben vom Wechsel des sympathischen in das parasympathische System ist von großer Wichtigkeit, da es Dir hilft, auch im Alltag schneller und einfacher mit Stress umzugehen.

Nervensystem

Links: Parasympathisches Nervensystem | Rechts: Sympathisches Nervensystem

Leichtere Regeneration

Ein weiterer oft genannter Punkt, warum ein Cooldown praktiziert werden sollte, ist die Annahme, dass es dabei hilft, den anstehenden Muskelkater zu minimieren oder sogar zu verhindern. Weiter oben haben wir ja schon erwähnt, dass wissenschaftliche Studien diese Annahme widerlegt haben. Ein Grund dafür ist, dass die meisten versuchen, den Muskelkater durch Dehnung zu lindern.

Wieso das nicht funktioniert, lässt sich mit einer Analogie kurz beschreiben: Es würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, ein Gummiband weiterhin zu dehnen, wenn es schon Risse hat.

Wieso also einen Muskel dehnen, der bereits kleine Muskelfaserrisse davon getragen hat? Das heißt nicht, dass im Cooldown keine Dehnung enthalten sein sollte. Achte hier eher darauf, welche Methode der Dehnung sowie welche Intensität Du einsetzt. Mehr dazu findest Du im Artikel „Wie Du Dich im Kungfu Richtig dehnst“.

Abschließend kann man sagen, dass das Cooldown nicht dabei hilft, den Muskelkater zu verhindern. Eine Verminderung kann jedoch stattfinden, wenn die richtige Dehnmethode gewählt und der mentale Aspekt miteinbezogen wurde. Achte also weniger darauf, Dich zu Dehnen, sondern viel mehr darauf, den Körper bei seiner Regeneration zu unterstützen. Dies kannst Du durch sanfte Bewegungen machen, die Deine Blutzirkulation kurz anregen, um die Mineralien im Körper besser zu verteilen. Die anschließende sanfte Dehnung dient eher für das mentale Abschalten. Es geht also nicht um das Dehnen im Cooldown, sondern um ein sanftes Mobilisieren und Abschalten.

Muskelkater

Links: Intakte Muskelfasern | Rechts: Defekte Muskelfasern. Hier spricht man auch öfters von sogenannten „Muskelfaserrissen“, welche zum Muskelkater führen.

Wie führe ich ein Cooldown aus?

Soll die Erholungsfähigkeit des Körpers verbessert werden, muss so gedehnt werden, dass die Mikrorisse, welche Muskelkater verursachen können, nicht weiter vergrößert werden. Deshalb sollte im Cooldown eher dynamisch oder statisch gedehnt werden mit einer sehr leichten bis bestenfalls mittleren Belastung. Der Muskel sollte nochmals gut durchblutet und die Lymphflüssigkeit verteilt werden, damit die Mineralien, die es zur Heilung benötigt, über das Gewebe zu den Muskeln gelangen können.

Die Intensität der Dehnung fühlt sich ungefähr so an, als würde man die Haut auf der Oberseite der Hand nach oben ziehen. Es sollte ein leichtes Ziehen zu spüren sein. Nicht mehr! Es sollte Dir möglich sein zu entspannen und die Bewegung zu genießen. Wir sagen meist, dass, sobald das Gesicht verzogen oder die Luft angehalten wird, es bereits eine zu hohe Dehn-Intensität ist. Dann einfach etwas aus der Dehnung herausgehen und eine leichtere Intensität wählen. Im Cooldown hat sportlicher Ehrgeiz keinen Platz! Hier geht es um Regeneration und Entspannung.

Wichtige Bestandteile bei einem Cooldown sind folgende vier Grundprinzipien:

Leistungsbezug, Tonus-Senkung, Intensität und Arbeitsweise. Auf diese vier Grundprinzipien gehen wir jetzt genauer ein.

Leistungsbezug

Unter Leistungsbezug verstehen wir bestimmte Pflichtbereiche, die auf jeden Fall in Deinem Cooldown anzusprechen sind. Achte darauf, dass Du sportartspezifische Ergänzungen machst, die Du in Deinem Training benötigst.

Folgende Pflichtbereiche sollten beispielsweise in einem guten Cooldown enthalten sein:

  • Oberschenkelmuskulatur hinten, vorne, innen, außen
  • Hüftbeuger/-Strecker (Musculus Iliacus & Musculus Psoas)
  • Brustkorbmuskulatur vorne
  • Halsmuskulatur hinten und seitlich.

Tonus-Senkung

Die Tonus-Senkung des Muskels entsteht, sobald Du die Position der Dehnung zwischen 10s und 90s hältst. In anderen Worten regst Du durch die sanfte Dehnung den Muskel dazu an, seine Spannkraft zu minimieren. So kannst Du eventuelle Dysbalancen gut ausgleichen.

Wird die Dehnung über 90s lang gehalten, spricht man weniger den Muskel an, sondern vielmehr die Faszie. Was Ihr davon habt und wieso auch dieses Thema wichtig für Euch ist, erkläre ich Euch in einem anderen Artikel. Das würde hier den Rahmen sprengen. 

Intensität

Unter Intensität verstehen wir die eingesetzte Dehn-Intensität. Also die Stärke der Dehnung. Sie hängt nicht nur von der jeweiligen Leistung des Praktizierenden ab, sondern hauptsächlich von der Leistung, die in Deinem vorausgegangenen Training erbracht wurde. Hier gilt: Je höher die erbrachte Leistung war, desto vorsichtiger sollte das Cooldown ausgeführt werden, da ein müder Körper eher verletzungsgefährdet ist als ein erholter. Denkt dabei nur an die Assoziation vom rissigen Gummiband, die wir eben angesprochen hatten. Wird im Cooldown eine zu hohe Intensität gewählt, kommt es sogar eher noch zu weiteren Muskelfaserrissen und der Muskelkater wird verschlimmert. 

Arbeitsweise

Unter Arbeitsweise verstehen wir die Art der Dehnung und Übungen, die ausgeführt werden. 

Um sportübergreifend zu sprechen und ein weites Spektrum abzudecken, sollte das Cooldown eher passiv statisch ausgeführt werden. Damit kann jeder am besten abschätzen, wie weit er in die Dehnung hinein geht, ohne sich durch unkontrollierte Bewegungen eine Verletzung zuzuziehen. Mit anderen Dehnmethoden läufst Du eher Gefahr Dich zu verletzen, da Du den bereits beanspruchten Muskel weiterhin aktiv bewegst. Vor allem Anfänger können die Intensität der Dehnung noch nicht richtig dosieren und würden von einem dynamisch/ballistischen Programm noch nicht profitieren.

Der Ablauf des Cooldown findet, wenn möglich, am Boden sitzend oder liegend statt, da dadurch der Körper am besten abkühlen kann und der Geist ebenfalls das Nervensystem in das parasympathische System umstellt. Die Übungen sind durch ein ruhiges introvertiertes Arbeiten gekennzeichnet, welches durch die Atmung stark beeinflusst wird. Die Atmung bestimmt die Intensität der Übung, sowie deren Geschwindigkeit der Ausführung. Es sollte mehr Wert darauf gelegt werden, muskuläre Dysbalancen auszugleichen, als die allgemeine Dehnfähigkeit der Muskeln zu erhöhen.

Die letzte Komponente bei der Arbeitsweise ist die Zeit. „Wann führe ich ein Cooldown aus?“. Natürlich am Schluss Deines Trainings. Achte darauf, dass Dein Cooldown etwas mehr Abstand von Deinem Training haben sollte, je intensiver Du Deine Muskeln beanspruchst. Vor allem nach Leistungskraftsport, wie beispielsweise dem Bodybuilding, sollte das Cooldown um etwa 20 bis 90 Minuten nach hinten verschoben werden, da das intramuskuläre Volumen der Muskulatur erhöht ist. Beim Leistungskraftsport trainiert der Muskel in die Höhe und erweitert dadurch sein Volumen. Hier gleich im Anschluss ein Cooldown zu machen, wäre wiederum schädigend für die Muskulatur.

Wenn Ihr gerne wissen möchtet, wie unser Cooldown nach dem Kungfu/Wushu Unterricht aussieht, dann schau Dir unser Video gleich unten im Artikel an: Unser Kungfu Cooldown-Programm.

Cooldown im Wushu Kungfu

Nun gehe ich spezifisch auf die Struktur, Leistung und den Einsatz eines Cooldown im Kungfu ein. Passend dafür wurden die einzelnen Übungsabfolgen in unserem Cooldown angepasst.

Eines der wichtigsten Bestandteile vom Training im Kungfu ist die Einsatzfähigkeit und Stabilität der Hüfte. Der Ausgangsstandpunkt von Funktionsweise und Einsatzfähigkeit hängt hier von jedem Schüler unterschiedlich ab. Da die Hüfte vor allem bei Anfängern noch sehr oft stark in der Beweglichkeit und Kraft eingeschränkt und unausgeglichen ist, also Dysbalancen der Muskelspannkraft aufweist, ist sie wichtiger Bestandteil unseres Cooldown für Anfänger.

Die Leistung im Kungfu ist meist in einer hohen Intensität, weshalb beim anschließenden Cooldown keine starke Dehnbelastung gewählt werden sollte. Auch hier gilt der Test mit der Handrückseite. Die Intensität sollte im leichten, bis mittleren Bereich liegen. Es sollte eine leichte Dehnung spürbar sein, aber trotzdem nicht so intensiv, dass die Atmung angehalten, das Gesicht verzogen oder ein Schmerz empfunden wird. Die Wirkung sollte eher in Richtung Entspannung gehen, als Dehnung für Flexibilität.

Einteilung in Anfänger und Fortgeschrittene

Da wir uns beim Kungfu-Cooldown für den Anfänger eher auf die Entspannung und Mobilisation der Hüfte konzentrieren, wurde eine Übungsabfolge gewählt, die die Muskeln, Faszien, Gelenke und Gelenkbänder um die Hüfte herum anspricht. Achte hierbei darauf, dass keine Übung ausgelassen wird, da es ansonsten zu einer weiteren Dysbalance der Hüfte führen könnte. Die Übungen werden meist 3–8 tiefe Atemzüge gehalten. Es sollte Dir möglich sein zu entspannen und loszulassen. Wenn bereits nach dem 3 Atemzug keine Linderung der Dehnspannung stattfindet, sollte die Intensität der Dehnung abgeschwächt werden. Dies ist ein erstes Anzeichen dafür, dass zu viel gewollt wurde und Muskeln, sowie das Gewebe nicht nachlassen konnten.

Fortgeschrittene können die nachfolgenden Übungen ebenfalls machen, sie jedoch intensiver ausführen. Hier ist die Dehnbereitschaft der Muskeln meist höher. Unsere Fortgeschrittenen im Wushu Kungfu wählen meist ein Cooldown mit dynamischen Übungen, da sie bereits ein sehr gutes Körpergefühl haben und unterscheiden können, wann die Dehngrenze oder Dehnschwelle erreicht ist. Mehr zum Thema Dehnen erfährst Du in einem separaten Artikel rund um die Thematik. Das würde hier ansonsten den Rahmen sprengen.

Unser Programm

Video zum Kungfu Cooldown

Es werden Übungen gezeigt, die sowohl Anfänger, als auch Fortgeschrittene machen können. Bitte achte darauf Dein eigenes Limit zu finden und dass es hier weniger um Dehnung geht, sondern darum die Hüftgelenke an die Positionen zu gewöhnen, zu entspannen und einfach nur sanft mit dem Training abzuschließen. Wenn Du beweglicher werden möchtest, empfehlen wir Dir unser Wushu Kungfu Aufwärmprogramm oder eines unserer Flexinare (Flexibilitäts-Seminare). Viel Spaß mit den Übungen!

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Über den Author

Christina Wu

Christina Wu leitet gemeinsam mit Pascal Wu die Wushu Taichi Akademie in Konstanz. Ihre Ausbildung in der klassischen „Kunst des Knochenrichtes“ oder „Dit Da“ erhielt sie bei Wu Mei Lings ältestem Bruder Wu Rungen. In ihrer Arbeit als Heilpraktikerin vereint sie klassische Konzepte der chinesischen Medizin mit der westlichen Medizin. Mit Pascal Wu leitet Christina das Endformat Designstudio. „Ich will ich den Menschen in seiner körperlichen und psychischen Gesamtheit verstehen und ihm die angemessene Behandlung anbieten.“

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